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Rita von Gaudecker
- Leben und Werk -



Der Kapellenverein unter Leitung von Bertha v. Kröcher
(1885-1914 bzw. 1921)

Mit Hilfe junger adliger Frauen und Mädchen aus der Mark Brandenburg sammelte Bertha v. Kröcher, unterstützt von dem - heute umstrittenen - Hofprediger Stöcker, Geld zum Kapellenbau in Berlin. Diese Kapellen sollten ein Treffpunkt für weibliche Arbeiterinnen sein, die in der Großstadt leicht wurzellos werden konnten. Erbaut werden konnten mit den Spenden und unter Kreditaufnahme die "Friedenskirche" in der Ruppiner Straße in Berlin-Nord und die "Adventskapelle" im Osten Berlins. Nach diesen Anfängen übernahmen die Behörden weitere Bauten dieser Art. Beide Kapellen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut.

Sobald der Verein seine Schulden abgezahlt hatte, richtete er Kurse zur "Frauenausbildung" ein. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurden Krippen für Säuglinge und Kleinkinder in und um Berlin eingerichtet und unterhalten.

 

 

,Jugendhilfe' und Helferbund zum Kapellenverein unter Leitung von Rita u. Gaudecker (1914/21-1965)

Rita v. Gaudecker, geb. v. Blittersdorff, aus Molstow im Kreis Greifenberg, war mit dem Marineoffizier Gerhard v. Gaudecker verheiratet und mit Bertha v. Kröcher befreundet. Anfang 1914, als Rita v. Gaudecker 35 Jahre alt war, wurde sie von Bertha v. Kröcher gebeten, die "Jugendhilfe des Kapellenvereins" und die Schriftleitung des monatlich erscheinenden Vereinsblattes zu übernehmen. Im April 1914 erschien die erste Nummer von "Wir wollen helfen". Aus diesen drei Buchstaben entstand dann das Signet des Helferbundes, auch auf Broschen und Anstecknadeln getragen: goldene Schrift auf blauem Grund. Mit diesen Abzeichen sammelten die Söhne von Bischof Rendtorff in Stettin sogar im Dritten Reich Geld und meinten: "Erkennen Sie nicht die drei Buchstaben vom Winterhilfswerk"?

Die Zeitschrift wandte sich besonders an Kinder und Jugendliche: Sie schilderte Not und Elend der Großstadtkinder und rief alle zum Helfen auf, die selber in besseren Verhältnissen lebten. "Tante Rita" berichtete aus den Heimen, sprach spezielle Bitten aus und erzählte Märchen und fortlaufende Geschichten. Auch die Heimmütter und die Jugendlichen kamen zu Wort.

Der "Kapellenbau" wurde von neuen aktuellen Aufgaben abgelöst, die nun nicht mehr von Berlin aus, sondern von Pommern aus gelöst wurden. Bereits 1917 - mitten im Ersten Weltkrieg nach dem berüchtigten Steckrübenwinter - konnte in Deep im Kr. Greifenberg an der Ostseeküste ein Heim erworben werden: das "Landkinderheim". In ihm konnten zwanzig heimatlose Kinder betreut werden. Bald konnte ein zweites Heim im selben Dorf übernommen werden, das "Offizierskinderheim", in dem sich die Kinder gefallener Offiziere erholen sollten.

 

 

Die Kinderheimarbeit in Hinterpommern

Im Jahre 1921 gab Bertha v. Kröcher die gesamte Vorstandsarbeit an Rita v. Gaudecker ab und starb im Jahr darauf. Während der Inflationszeit trennte sich der Helferbund von allen großstädtischen Einrichtungen und siedelte ganz in die ländliche Umgebung des Kreises Greifenberg um, dort, wo sich das Ehepaar v. Gaudecker zu Hause fühlte. Mit Hilfe von ausländischen Freunden - besonders auch aus Holland - konnte die Arbeit fortgeführt werden. Sie stifteten Freistellen und halfen beim Ankauf eines dritten Hauses, des "Hollandheimes in Kolberg". Von dort aus konnten Landkinder aus unbemittelten Familien, auch baltendeutsche Flüchtlingskinder, die höheren Schulen in Kolberg besuchten; in den großen Ferien wurden in dem gemütlichen Fachwerkhaus kränkliche Kinder für Solekuren aufgenommen.

Im Jahre 1926 konnte das "Haus Jugendhilfe" in Deep - im Stil der Deeper Fischerhäuser erbaut - eingeweiht werden. Dafür wurde das bislang bloß gemietete "Offlzierskinderheim" aufgegeben. Die Kinder, die in das"Haus Jugendhilfe" einzogen, blieben meistens drei bis vier Monate zur Erholung. Im Frühjahr wurden notleidende Damen - sogenannte verschämte Arme - zur Erholung eingeladen, auch sonst gingen immer wieder Unterstützungen an verarmte alte Menschen. Diesen Zweig nannte Rita v. Gaudecker "Stille Hilfe". Obwohl dieser Begriff die Arbeit des Helferbundes auch nach dem Zweiten Weltkrieg charakterisierte, wurde er damals aufgegeben, weil eine andere Organisation, mit der man keineswegs identifiziert werden wollte, ihn übernommen hatte.

Unter dem Motto "Kinder helfen Kindern" war die Mitgliederzahl in ganz Deutschland auf über 3000 angestiegen; sie übertraf damit die Mitgliederzahl aus der Blütezeit von Bertha v. Kröcher, die in deren letzten Jahren sehr zurückgegangen war. Überall wurden Gruppen mit jugendlichen Helfern gebildet, die "möglichst nicht unter 15 Jahren" sein sollten. Hildegard Sieveking (geb. 1916) - Rita v. Gaudeckers Nachfolgerin - wurde Mitglied der Hamburger Gruppe, in der regelmäßig "Nähnachmittage" stattfanden.

Höhepunkt des Gruppenlebens war das alljährliche Helferfest mit Darbietungen, Tombola und Glücksrad. Oft kam "Tante Rita" zu diesen Festen und trug fesselnd aus ihrer Arbeit vor. Die Mitglieder der jugendlichen Gruppen sandten Geld, Kleidung und Lebensmittel an die Heime und zur Weiterleitung für die "Stille Hilfe". Nur durch Rita v. Gaudeckers Großzügigkeit, ihr Vertrauen auf die Helfer und ohne einen Drang zum Perfektionismus konnte mancher Plan Wirklichkeit werden.

Als das Ehepaar ganzjährig nach Deep zog, wo die Familie v. Blittersdorff einst herrliche Sommerferien verbracht hatte, wurden die Kontakte noch enger. Der inzwischen pensionierte Kapitän zur See v. Gaudecker übernahm die Buchführung. "Tante Rita" hielt Kindergottesdienste und kam zum Märchenerzählen in die Heime. Im Landkinderheim wuchsen 16-18 Kinder vom Säugling bis zur Schulentlassung auf, die auch danach durch Ferienbesuche, Briefe und Päckchen mit dem Heim und seiner Leiterin Erna Kiefer eng verbunden blieben. "Mutter Erna" hatte zuvor Clenze, ein Heim in der Berliner Gegend, für den Kapellenverein geleitet. In einer Zeit, als man die Kinder streng in altersgleiche Gruppen einteilte und dabei Geschwister trennte, war diese Konzeption ungewöhnlich und wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den "Kinderdörfern" populär.

Kinderheimat in Deep

 

 

Krieg - Flucht und Vertreibung

Daß die Gleichschaltung während des Dritten Reiches den Helferbund verschonte, war erstaunlich. Ein ehemaliges Dresdener Helferkind, das im Dritten Reich so viel Macht und Einfluß erhalten hatte, daß es in einem der Nürnberger Prozesse als Verantwortlicher zum Tode verurteilt wurde, hielt seine schützende Hand über die Heime und schickte auch einmal seinen kleinen Sohn für die Sommerferien dorthin. Trotzdem mußte manche gefahrvolle Situation umschifft werden. Ab 1941 durfte das "Helferblatt" nicht mehr erscheinen. Die Nachrichten und Bitten um Mithilfe gingen nur noch an die Gruppenleiterinnen, die sie für ihre Mitglieder vervielfältigen mußten. Die größeren Jungen wurden Soldat, einige kamen noch einmal auf Urlaub, einige von ihnen sind gefallen. Doch insgesamt lief die Arbeit bis zum Februar 1945 relativ normal weiter, wie man überhaupt im ländlichen Pommern weniger von den Schrecken des Krieges spürte als in den Industriezentren und in den Großstädten.

Erst im Februar 1945, nach intensiven Beratungen, wurde Erna Kiefer mit zwei weiteren Erwachsenen und den Kindern des "Landkinderheimes" in den Westen auf ein mecklenburgisches Gut geschickt. Die Kinder des Kolberger "Helferhauses" mußten zu ihren Familien zurückkehren; es gab ja auch keinen Schulunterricht mehr. Doch das Haus in der Parkstraße 13 füllte sich immer wieder rasch mit Kindern, die auf der Flucht ihre Angehörigen verloren hatten. Das Ehepaar v. Gaudecker mußte Anfang März sein Haus in Deep verlassen. Es fand schließlich Unterkunft in Treptow, der nächstliegenden Stadt, wo Rita v. Gaudecker die Leitung einer Auffangstelle für Kranke, Verwundete und Sieche übertragen wurde.

Als sich die Front Kolberg näherte, kam Isa Pawel (später verheiratete Mundt, die ihre Erinnerungen 1971 unter dem Titel "Der Hölle entronnen" publizierte) mit neuen Kolberger Kindern ins leere Landkinderheim nach Deep. - Wer die Zustände in Hinterpommern 1945 selbst miterlebt hat, kann es heute noch nicht begreifen, daß immer wieder Menschen aus Mecklenburg und Vorpommern zurück über die Oder geschickt wurden; zu diesen gehörten z.B. die "Kinderheilkinder" aus Stettin, aber auch Erna Kiefer mit den Kindern des Landkinderheimes. Es grenzt an ein Wunder, daß alle Kinder im September 1945 erneut in den Westen kommen konnten. Auch das Ehepaar v. Gaudecker kam Ende 1945 über Berlin nach Schönweide in Holstein.

Rita v. Gaudecker konnte ihr "Fluchttagebuch" retten. Es wurde häufig abgeschrieben, in Teilen auch im Rega-Rundbrief 1/1995 und in der Pommerschen Heimatkirche vom Sommer 1995 nachgedruckt. Nach der Ankunft im Westen schließt sie:

"Gott hat uns wunderbare Wege geführt; wir können hoffen, daß er noch irgendwo ein Stückchen nützliche Arbeit für uns hat, da wir überleben durften. - Der Helferbund steht mir in vieler Weise unendlich treu bei, und es wäre unrechte Verzagtheit, um den weiteren Weg zu bangen! Daß es ein Weg voller Heimweh ist und bleiben wird, das freilich ist nicht anders möglich und niemand kann uns das abnehmen. Was aber sonst Freunde und Helfer tun, uns alles ebnen, ist eine große und schöne Erfahrung, und es bleibt bei der Gewißheit des Verses, den wir in tausend Nöten stehend miteinander gebetet haben:
Du weißt den Weg für mich.
Du weißt die Zeit.
Dein Plan liegt fertig schon und ist bereit.
Ich preise Dich für Deiner Liebe Macht,
ich rühme die Gnade, die mir Heil gebracht."

 

 

Die Arbeit geht weiter!

Bereits im April 1948 kam es in Kiel zur Neugründung vom "Helferbund vom Kapellenverein" - geboren aus Heimweh und dem Mitgefühl mit denjenigen, die die Last des Krieges schwer zu spüren bekommen hatten. Bald bildeten sich neue aktive Gruppen des Helferbundes in der Bundesrepublik. Hauptaufgabe war der motivierende Versand von Briefen und Päckchen in die SBZ/DDR. 1950 zog das Ehepaar von Gaudecker nach Allmendingen zu entfernten Verwandten. Die WELT vervielfältigte über Jahrzehnte - bis zum Jahre 1981 - kostenlose "Helferbriefe". Damals gingen sie an 900 Empfänger. Bezeichnend für die familiäre Atmosphäre im Helferbund war es, daß Rita v. Gaudecker alle Mitteilungen mit "Tante Rita" unterzeichnete und auch alle Helfer duzte.

Bei einem unglücklichen Sturz brach sie sich die Hüfte, die nie mehr richtig heilte; von da an war sie zunächst ans Zimmer, dann ans Bett gefesselt. Kurz nach ihrem Unfall starb ihr Mann nach zweijähriger Krankheit. Nach ihrem 80. Geburtstag im Jahre 1959 ließen ihre Kräfte nach. Sie fragte darum das einstige Helferkind Hildegard Sieveking, ob sie bereit sei, die Arbeit eines Tages zu übernehmen, zunächst als stellvertretende Vorsitzende, ab 1965 als Vorsitzende. - In einem Brief vom Juni 1967 bestimmte Rita v. Gaudecker den Helferbund zu ihrem Erben, dem auch die Verlagshonorare zufließen sollten. Doch kurz vor ihrem Tode am 14. April 1968 schloß sie einen schriftlichen Vertrag mit dem Förderkreis POMERANIA bzw. der Stiftung Pommern, in dem sie diese zu ihren "geistigen Erben" bestimmte.(Nach der Auflösung der Stiftung Pommern sind die Rechte am literarischen Werk von Rita von Gaudecker an die Rita von Gaudecker Stiftung übergegangen.

Die Schriftleiter der Pommerschen Heimatkirche schätzten alle Rita v. Gaudecker und brachten immer wieder kleinere Texte von ihr. Ihre Kinderandachten erschienen in zahlreichen Auflagen, diese waren ihr besonders wichtig: für die Helferkinder, für die Kinder in den Heimen, aber auch für alle anderen. Ihr Werk wurde bei vielen Verlagen gedruckt, inzwischen ist es überall vergriffen. Die jetzige Vorsitzende hat alle Reste aufgekauft und an Interessierte weitergegeben. Die jüngsten Publikationen über sie erschienen 1996 in den Beiträgen zur Greifenberg-Treptower Geschichte (Bd.19): Burkhard Hitz: Geschichten von und um Rita v. Gaudecker - ihr Leben im Kr. Greifenberg und ihre Verbundenheit mit der pommerschen Landschaft (S. 5-23), dort auch Rita Scheller: Hilfe in aller Stille - Rita v. Gaudecker und ihr Wirken, (S. 24-66) mit Literaturverzeichnis.

Ganz neu ist die Dissertation von Ewa Hendryk "Hinterpommern als Weltmodell in der deutschen Literatur", Peter Lang Verlag, Frankfurt 1998. Besonders in den Kapiteln 3 (Das verlorene Hinterpommern ... ), 4 (Heimatliches Milieu als ... Vermittler seelischer Erlebnisse) und 5 (Rückbesinnung mit ... der verlorenen Heimat) wird immer wieder auf Rita v. Gaudecker als pommersche Heimatschriftstellerin Bezug genommen.

Es wird immer vom jeweiligen Betrachter abhängen, ob man Rita v. Gaudeckers Engagement für Menschen in Not, oft in verdeckter Not, und die damit verbundene Gabe, andere zum Helfen zu motivieren, oder ihre schriftstellerische Arbeit stärker hervorhebt. Für sie selber bildete beides eine Einheit und befruchtete sich gegenseitig.

 

Die Nachfolge: Der "Helferbund Rita v. Gaudecker"
unter Hildegard Sieveking (1965-1993)

Hildegard Sieveking gelang es, einen Kreis jüngerer Frauen in Hamburg, die keine Verbindung mehr zu Pommern hatten, die sich jedoch für Menschen in Not engagieren wollten, für die Helferbundarbeit zu motivieren. 1985 hatte der Helferbund noch 750 Mitglieder, insgesamt nahm aber die Zahl der Mitglieder stetig ab. 1996 wurden noch 420 Rundbriefe verschickt, 1999 sind es bloß noch 300. Von 1965 bis 1987 gingen 4.775.000,- Mark durch die Bücher, also gut 200.000,- pro Jahr. Allerdings kam etwa die Hälfte der damaligen Gelder von einer Stiftung und ging zweckbestimmt direkt in die DDR. Berücksichtigt man die abnehmende Mitgliederzahl und den heutigen Jahresumsatz von etwas mehr als 100.000,- dann muß man sagen, daß die Spendenbereitschaft noch zugenommen hat.

Die langjährige Vorsitzende des Helferbundes Hildegard Sieveking

Die langjährige Vorsitzende des Helferbundes Hildegard Sieveking mit einem Mitglied des Helferbundes

Als Rita v. Gaudecker die Helferbund-Arbeit in jüngere Hände legte, beauftragte sie um dieselbe Zeit die Treptower Mittelschulkonrektorin Thea Lönnies, sich um ihren schriftstellerischen Nachlaß zu kümmern. In Treptow hatten sich die beiden Frauen nicht kennengelernt, aber jetzt schenkte die gemeinsame Arbeit an den letzten Werken der Autorin Rita v. Gaudecker beiden fünf reiche Jahre gemeinsamer Arbeit, besonders an den "Erinnerungen" und den letzten Gedichten. Aus der "Helferin" wurde die noch von "Tante Rita" selbst bestimmte Verwalterin des schriftstellerischen Erbes. Manches davon konnte noch im Pommerschen Buchversand verlegt werden.

1966 wurde der Verein umbenannt: Der Name "Kapellenverein" führte zu Mißverständnissen, denn der Helferbund war schon seit über zwei Generationen auf ganz anderen Gebieten aktiv geworden. Um die Verdienste Rita v. Gaudeckers zu würdigen, die den Verein 44 Jahre geführt hatte und die stets die Seele des Vereins gewesen war, sollte er hinfort "Helferbund Rita v. Gaudecker" heißen.

Hildegard Sieveking kannte und schätzte die Arbeit in den Helferbund-Heimen, die sie noch selbst miterlebt hatte, war sich aber im klaren darüber, daß es bei der heutigen Gesetzgebung für einen kleinen privaten Verein nicht mehr möglich sein kann, Kinderheime zu unterhalten. So konnte nach dem Kriege der einst so erfolgreiche Gedanke "Kinder helfen Kindern" nicht mehr wiederbelebt werden, weil ihm Buntes und Anschauliches fehlte. Damit fielen aber auch die Jugendlichen als spätere Mitglieder aus und die Jugendlichen aus der Vorkriegszeit kamen immer stärker ins Seniorenalter. Hildegard Sieveking war keine Schriftstellerin wie Rita v. Gaudecker, doch ein paar Mal im Jahr erfreute sie die Helferbund-Mitglieder durch ihre informativen und motivierenden Rundbriefe. Sie reiste auch möglichst oft zu den einzelnen Gruppen und zu den Schützlingen in der DDR.

Auf Initiative der inzwischen verstorbenen Christa Armbruster begann 1980 die Polenhilfe, zunächst für ehemalige KZ-Insassen, ab 1982 verstärkt "an deutschstämmige Familien, die unter vielerlei Benachteiligungen in Polen leben". Außerdem kam die Unterstützung der Lukas-Communität dazu, ein evangelischer Frauenorden, der sich besonders um Süchtige und die Strahlenopfer von Tschernobyl kümmert. Ende der Achtziger Jahre arbeiteten noch 18 Gruppen selbständig unter ihren Leiterinnen.

 

 

Der Helferbund ab 1993 unter Dr. Rita Scheller

Nach 28 Jahren fühlte Hildegard Sieveking ihre Kräfte schwinden, das Arbeitsgebiet hatte sich wieder einmal gewandelt: nach der Wende war es nicht mehr so erforderlich, Pakete in die neuen Bundesländer zu schicken. Sie suchte darum nach einer Nachfolgerin, die das jüngste Arbeitsfeld "Hilfe nach Polen" ausfüllen könnte und fand sie in der Autorin dieses Beitrages, die schon jahrelang für die letzten Evangelischen deutscher Zunge als Geschäftsführerin des Konvents Ev. Gemeinden aus Pommern gewirkt hatte und die nun die Möglichkeit bekam, sich auch um die polnischen Evangelischen zu kümmern. Natürlich spielte auch der Vorname eine gewisse Rolle, zeigte er doch an, daß schon die Mutter der vierten Vorsitzenden ein "Helferkind" gewesen war, zudem auch noch ein wenig verwandt ...

Sie wußte, daß die Arbeit schwieriger werden würde: Die "Helferkinder" waren längst im biblischen Alter; die älteren Mitglieder hatten durchaus Sinn für die "Pommernhilfe", während sie für die Frauen im mittleren Alter doch sehr fern lag. Immer mehr alt gewordene Gruppenleiterinnen legen ihre Arbeit nieder und ihre Mitglieder werden von der Zentrale aus betreut. Die Anhänglichkeit und Treue der Mitglieder ist bewundernswert, doch war es bereits für H. Sieveking abzusehen, daß sich die Aufgabe eines Tages erledigen würde. Noch werden viele Menschen in Hinterpommern unterstützt, ein sehbehindertes Mädchen deutscher Abstammung erhält das Schulgeld für eine Privatschule, alljährlich findet ein evangelisches Sommerfest in Zitzmin statt, zu dem die Besucher von Stettin bis Stolp heranströmen, auch die Medikamenten-Beihilfe steht im Vordergrund. - Jährlich werden noch zwei Helferbriefe verschickt.

Die Wirkungsmöglichkeiten des Helferbundes Rita v. Gaudecker werden weiter zurückgehen - das betrifft aber nicht nur den Helferbund, sondern die meisten Vereine, besonders solche, die Mildtätigkeit üben und von denen viele Mitglieder im deutschen Osten beheimatet waren. Aber solange, wie noch einige Helferbund-Mitglieder bei Kräften sind, wollen sie weitermachen - getreu dem Motto "Wir wollen helfen".